Das Haus der Sorben Bautzen
Ein Haus mit Geschichte
Schon zum Zeitpunkt der Gründung der wissenschaftlich-kulturellen Gesellschaft Maćica Serbska 1847 dachte man an ein Vereinshaus. Im Jahre 1873 kaufte Jan Arnošt Smoler ein Grundstück am Lauengraben in Bautzen mit Haus, Hof und Garten. Das Haus sollte zum Mittelpunkt des Vereinslebens der Maćica Serbska werden. Die Finanzierung
bereitete Smoler große Sorgen. Sogar im slawischen Ausland bat er um Geld. Seine Reisen wurden als wendische Agitation verspottet. Von der letzten Bitt-
reise kehrte er 1883 angeschlagen aus Russland zurück. Er konnte sich nicht mehr erholen und starb am 13. Juni 1884.
Für die umfangreiche Bibliothek und die Errichtung eines Museums machte sich ein Neubau auf dem bestehenden Grundstück erforderlich. Arnošt Muka nahm durch seine Beziehungen zu dem Dresdner Architekten Grothe die Geschicke des Neubaus in die Hand. Unterstützt vom jungen Kaplan Andricki wurde seit 1882 Geld gesammelt. Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Maćica Serbska wurde am 21. April 1897 der Grundstein für den Neubau gelegt.
Das Wendische Haus wurde am 26. September 1904 durch Bischof Jurij Łusčanski, damals Vorsitzender der Maćica Serbska, eingeweiht. Die Außengestaltung unter der Leitung des Architekten August Grothe entsprach den Formen der Frührenaissance und fügte sich in das historische Stadtbild.
Mit der wissenschaftlichen Bibliothek, dem Sorbischen Museum, der Smolerschen Druckerei und Buchhandlung und dem 1907 erbauten Saal wurde das Wendische Haus zum Mittelpunkt des sorbischen Kulturlebens. 1907 wurde ein Café eröffnet, später kam ein kleiner Leseraum dazu. Im Erdgeschoss fand die Sorbische Volksbank ihr Domizil.
Das Wendische Haus in der Zeit des Nationalsozialismus
Nach ersten Jahren der Duldung in der NS-Zeit wurden 1937 die Domowina, ihre Vereine, Einrichtungen und der öffentliche Gebrauch der sorbischen Sprache verboten. Das Sorbische Café wurde umbenannt in „Schöne Lausitz“. Der Saal wurde als Versammlungsraum der NSDAP genutzt. Alle Bilder wurden entfernt, Figuren zerschlagen und die umfangreiche Bibliothek verkauft oder in die Wendenabteilung auf die Ortenburg gebracht. Einige Gemälde und wichtige Exponate des Museums wurden von beherzten Sorben gerettet.
Die Grundsteinlegung des neuen Hauses der Sorben
Am 6. März 1947 bekam die Maćica Serbska als Ersatz für das ausgebrannte
Grundstück der zerstörten Lessingschule eine neue Fläche auf dem Postplatz zugesprochen. Der Architekt Högg und der Ingenieur Rötschke aus Dresden bekamen nach dem öffentlich ausgeschriebenen Architektenwettbewerb den Bauauftrag. Am 24. August 1947 erfolgte die Grundsteinlegung. Dieser feierliche Akt wurde symbolisch mit dem 100-jährigen Gründungsjubiläum der Maćica Serbska verbunden.
Die Brigadebewegung
Anfang 1948 begann die sorbische Jugend in freiwilligen Einsätzen mit dem Aufräumen der Trümmer. Bauschutt wurde geräumt, Ziegel geputzt, Holzbalken behauen und Keller freigeschaufelt. Die Jugendbrigaden kamen aus den verschiedensten Dörfern. Im Jahre 1948 arbeiteten 580 Jugendliche in 38 Brigaden. Insgesamt wurde ein Wert von 100.000 RM geschaffen.
Bis heute erinnert eine Sandsteinfigur am Eingang zur Gaststätte an die sorbische Brigadebewegung der Nachkriegszeit.
Finanzielle Schwierigkeiten beim Bau des Hauses der Sorben
Die im Volk gesammelten Spenden von 1,5 Millionen Reichsmark wurden durch die Finanzreform 1948 fast gänzlich entwertet. Die Maćica Serbska wurde aufgelöst und das Vermögen juristisch an die Domowina übertragen. Ein Jahr später genehmigte der Staat 500.000 DM für den Neubau des Hauses. Am 26. Mai 1954 war Richtfest. Kurz vor der Fertigstellung übertrug die Domowina das Haus der Sorben ins Volkseigentum. Anlässlich des II. Sorbentreffens wurde am 8. Juli 1956 das Haus feierlich eingeweiht.
Das Haus der Sorben in der Zeit der DDR
Die Eingangshalle schmückt ein bleigefasstes farbiges Fenster mit der Darstellung sorbischer Bräuche. Die drei Klubräume im Erdgeschoss wurden von Künstlerkreisen, Domowina-Ortsgruppen und vom Bautzener Klub der Intelligenz genutzt. Im Saal tagte der Bundesvorstand der Domowina, probte das sorbische Kindertheater und fanden Konzerte, Akademien oder Ausstellungen statt. Im Jahre 1957 wurde das Museum für sorbische Literatur und Schrifttum eingerichtet. 1968 wurden für die Abteilung der Akademie der pädagogischen Wissenschaften für Schulen der zweisprachigen Lausitz Arbeitsräume eingerichtet.
Die Förderung der sorbischen Sprache und Kultur wurde seit 1948 nach und nach der Ideologie der SED unterworfen. Die Domowina sollte alle Sorben für den sozialistischen Aufbau gewinnen. Im Jahre 1969 erklärte sie sich selbst zur „sozialistischen nationalen Organisation“. Das weitere Bestehen der Domowina war eine Gratwanderung zwischen vorgeschriebenen Richtlinien durch die SED und eigenem Engagement vieler Mitglieder, die in ihren Ortsgruppen der Tradition und der Pflege der sorbischen Sprache und Kultur
treu blieben.
Das Haus der Sorben heute
Die Domowina wurde nach der politischen Wende zum unabhängigen Dachverband der Sorben und ihrer Vereine und Vereinigungen. Die Stiftung für das sorbische Volk erhält jährlich finanzielle Zuwendungen des Bundes, des Freistaates Sachsen und des Landes Brandenburg zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Diese liegen vorrangig in der Bewahrung und Entwicklung der sorbischen Sprache und Kultur. Neben der Domowina und der Stiftung beheimatet das Haus der Sorben heute noch das Witaj-Sprachzentrum, den sorbischen Schulverein, die Redaktion des Katolski Posoł und eine Reihe weiterer kleinerer sorbischer Vereine wie z.B. den Gesangs- oder Sportverein. Die sorbische Kulturinformation befindet sich im Erdgeschoß.